Wenn sich ein Förster verabschiedet, klingt das nicht nach leise Tönen. Da raschelt es in den Wipfeln, knackt es im Geäst, duftet es nach Jahrzehnten im Wald. Und genau so ist es, wenn Wilhelm Weber nun mit 66 Jahren in den Ruhestand geht - nach einer Laufbahn, die so waldreich wie wechselhaft war. Seit dem 1. April hat Christian Heine offiziell das Revier Herfa im Forstamt Rotenburg übernommen. Eine Wachablösung, die nicht nur das Revier betrifft, sondern auch das Forsthaus - denn Förster in Herfa wohnen dort, wo sie arbeiten. Residenzpflicht nennt sich das.
"Das ist eine Medaille mit zwei Seiten", sagt Rotenburgs Forstamtsleiter SteffenWildmann zum Wechsel. "Zum einen sind wir traurig, dass uns Wilhelm Weber verlässt, auf der anderen Seite freuen wir uns, dass wir mit Christian Heine einen solch tollen Nachfolger bekommen haben." Kommissarisch hatte Heine das Revier bereits drei Monate zurvor übernommen, während Weber seine letzten Urlaubstage, Überstunden und Stunden vom Lebensarbeitszeitkonto abbaute.
Weber, der ursprünglich ausgebildeter Forstwirt war, träumte schon früh davon, Förster zu werden. Doch nach der Bildungsreform 1975 genügte die praktische Ausbildung plötzlich nicht mehr. Ein Studium war nun Voraussetzung. Also holte Weber das Abitur nach und studierte in Göttingen. Danach folgten viele Stationen in ganz Hessen - damals noch mit Waldbluse und Krawatte im Forst. Reviere zu bekommen, war schwierig. Nach dem Studium gab es viele Mitbewerber, man wartet oft Jahre auf eine eigene Zuständigkeit.
Webers erste feste Revierstelle bekam er erst 2005 im damals noch eigenständigen Forstamt Nentershausen. 2011 wechselte er ins Revier Herfa, zog ins Forsthaus und nannte fortan eine der fichtendichtesten Wälder Hessens sein Zuhause.. Herfa war für Ihn eine "Aufbaurevier", wie er sagt, viel Staatswald, viel Verantwortung. Ein Revier, das er geprägt hat - und das ihn geprägt hat. Die großen Stürme hat Weber alle miterlebt: Wiebke 1990, Lothar 1999, Kyrill 2007. Doch keiner war so schlimm wie Frederike 2018. "Vor allem die Nachfolgeschäden waren katastrophal", sagt er. "Trockenheit, Borkenkäfer, schlechte Holzpreise - das Holz blieb liegen. Und in HErfa war es besonder schlimm, weil das Revier fast nur aus Fichte bestand." Die Folgen: riesige Freiflächen, wie er sie noch nie gesehen hatte.
Doch in der Krise sah Weber auch eine Chance: "Aus der Eintönigkeit mal was Buntes machen." Und so begann die Umgestaltung, die Wiederbewaldung - mit Mischbaumarten, widerstandsfähiger und vielfältiger. Mit dem ihm eigenen trockenen Humor und stets einem lockeren Spruch auf den Lippen begleitete Weber diese Transformation, stets nah am Wald, aber immer öfter auch am Schreibtisch. "Früher war man zu 70 Prozent draußen und zu 30 Prozent im Büro - heute ist es leider umgekehrt", sagt er. Auch das Personal hat sich verändert: Hatte früher jedes Revier rund sieben Forstwirte und saisonweise Kulturfrauen, gibt es heute im gesamten Forstamt Rotenburg nur noch 13 Forstwirte. Reviere wurden zusammengelegt, Zuständigkeiten ausgeweitet.
Ein Thema, das Weber besonders am Herzen lag, war der Schutz der Schwarzstörche. Die seltenen, scheuen Vögel brüten seit rund 20 Jahren in den feuchten, abgelegenen Gebieten im Revier Herfa. Weber beobachtete sie über Jahre hinweg, meldete Brutplätze, machte Fotos, setzte sich für ihren Schutz ein. Nicht nur als Förster , sondern auch als Naturfreund.
Dass nun ein Nachfolger kommt, der selbst Natur im Blut hat, passt gut. Christian Heine ist 30 Jahre alt, stammt aus Witzenhausen, hat wie Weber in Göttingen studiert. Von 2019 bis 2021 absolvierte er seinen Anwärterdienst und arbeitete anschließend für verschiedene Forstämter der Niedersächsischen Landesforsten. Im Oktober 2022 kam er zum Forstamt Rotenburg, übernahm zunächst kommissarisch das Revier Alheim, später arbeitete er als Funktionsbeamter Technik, unterstützte bei Holzernte und Wiederbewaldung - und rückte dann ins Revier Herfa. Jetzt hat er es offiziell übernommen. Und mit dem Revier auch das Forsthaus - er zieht dort ein, wo Weber bald auszieht.
"Absägen kann ja jeder", sagt Heine mit einem Augenzwinkern. Vielmehr möchte er gestalten - den Wald von morgen, mit enuen, jungen Bäumen, mit Mischkulturen, mit Pflegearbeit.
Das bedeutet in der Praxis: junge Bäume freischneiden, Konkurrenzbewuchs zurücknehmen, die Bestände vor Wildverbiss schützen und immer wieder kontrollieren, wie sich die Pflanzungen entwickeln. Heine bringt nicht nur fachliche Kompetenz mit, sonder auch Leidenschaft - und tierische Begleiter: Gemeinsam mit seinem Vater züchtet er Wachtelhunde. Der Zwinger trägt den Namen "Lausebuche". Im Forstamt Rotenburg ist das keine Seltenheit. Auch andere Revierleiter und auch Forstamtsleiter Wildmann selbst führen Wachtelhunde. Dass Heine nun für forstgerechten Welpennachschub sorgt, dürfte im Kollegenkreis gut ankommen.
Für Wilhelm Weber beginnt nun ein neuer Abschnitt. Er zieht nach Bebra - "mal was ganz anderes", sagt er. Vielleicht wird er dort öfter Spaziergänger oder Motorradfahrer als Förster sein. Und doch bleibt sein Vermächtnis sichtbar - in den Bäumen, die er gepflanzt hat, in den Flächen, die er gestaltet hat und vielleicht auch in den Schwarzstörchen, die hoch oben über Herfa kreisen. Und bekanntlich fängt das LEben mit 66 Jahren ja auch erst so richtig an.
Text: Carolin Eberth