„Jagd ist Klimaschutz“, sagt David Biederbick, Forsteinrichter der Landesbetriebsleitung und derzeit im Staatswald Wettenberg bei Gießen tätig. Doch er fragt sich: „Wenn die Jagd so entscheidenden Einfluss auf den Baumbestand hat, warum werden dann die Ergebnisse der Forstbetriebsplanung nicht direkt bei der Jagdplanung berücksichtigt?“
Die Forsteinrichtung, das hat sich David Biederbick im Bachelor- und Masterstudium der Forstwissenschaft eingeprägt, sei „die Hüterin der Nachhaltigkeit“. Die Forsteinrichter entscheiden auf Grund der Erfahrungen, der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie der daraus abgeleiteten Ziele, wie der Wald in Zukunft strukturiert sein wird. Sie richten den Wald der Zukunft ein.
Als Forsteinrichter macht David Biederbick immer wieder Inventur, kartiert die vorhandenen Baumarten, ihre Mischung, ermittelt den Vorrat und das Alter der Bäume, um in der Kartierung Veränderungen nachzuvollziehen und Standortpotentiale zu erkennen. Er misst die Qualität und Quantität des Bestands und fragt sich: Was kann welche Baumart auf welchem Standort leisten? Welche Menge welcher Baumart soll binnen einer Dekade geerntet werden? Welche Baumarten sollen in der Konkurrenz mit anderen begünstigt werden? Das Ziel ist der im Klimawandel risikostabile Mischwald mit möglichst drei bis fünf Baumarten. Das Waldentwicklungsziel wiederum basiert auf den Standortdaten.
Die Genauigkeit der technischen Verfahren nimmt zu, Geoinformationen werden aussagekräftiger und erlauben es, beispielsweise im Zusammenspiel mit Laserscanning digitale Geländemodelle zu erzeugen oder Schadflächenkartierungen aus Satellitendaten automatisiert zu erstellen. Zugleich werden die Schadverläufe dynamischer, wenn sich Stürme, Dürren und Käferkalamitäten immer dichter aneinander reihen. Dann muss der Forsteinrichter die laufende Planung überplanen, oder ganz von Neuem beginnen, wenn statt eines Waldes nur noch eine große Freifläche geblieben ist.
Neu ist im Geflecht der Faktoren seit 2020 die Standortwasserbilanz, denn es regnet im Jahresverlauf im Vergleich zu den Vorjahren weniger. Früher, als ergiebiger Regen innerhalb der Vegetationszeit in Mitteleuropa die Regel war, genügte es zu fragen: Was kann der Boden an diesem Standort speichern? Nunmehr stellen Forsteinrichter eine weitere Frage: Und was kommt an diesem Standort runter?
Heute schon arbeitet David Biederbick am Wald des Jahres 2070. Darum fragt er: Wie sieht es in 50 Jahren aus? Erschreckend trocken, lautet die Antwort des Weltklimarates. HessenForst orientiert sich am Worst-Case, dem RCP Szenario 8.5 (Representative Concentration Pathways). Danach wird die durchschnittliche Jahrestemperatur bis 2070 um 2,6 bis 4,8 Grad zunehmen. Fichte und Buche als bislang natürlich führende Baumarten im hessischen Wald werden weithin ausfallen. Südlich von Gießen bis hin zum Spessart und Odenwald wird die Fichte nicht mehr wachsen, und auch die Buche wird „sehr große Probleme“ haben. Statt dessen werden dort die Eiche, Kiefer und Edellaubarten zu führenden Baumarten - in Mischung mit Douglasie oder Tanne - werden. Der gravierendste Wandel wird sich im hessischen Ried vollziehen, dessen Wasserbilanz heute schon negativ ist. Weniger dramatisch dürfte der Wandel im Nordwesten Hessens entlang der Grenze zu Westfalen ausfallen, von Frankenberg über das Upland bis zur Diemel und Weser, am Meißner und in der Rhön, da in den hohen Lagen auch künftig noch mehr Niederschläge zu erwarten sein werden als in den tiefergelegenen Ebenen. Etwa die Hälfte des hessischen Waldes sei bis 2070 wegen mangelnder Mischung, Struktur oder Risikostreuung umzubauen, schätzt der Forsteinrichter. Hierzu sind derzeit mehrere Projekte aktiv, um in diesem Zusammenhang einen genauen Wert zu eruieren.